Die Portraitfotografie – Portraitfotos machen, oder wie Menschen Menschen sehen
Sei es bei Weihnachten, Neujahr, Ostern, oder Geburtstagsfeier. Beim Modeln, in den Ferien oder sonst bei einem spontanen Fotoshooting: Es gibt etliche Anlässe und Möglichkeiten, um als Fotografen den Menschen ins Zentrum der Ereignisse zu rücken. Und auch darum, ist die Portraitfotografie eines der beliebtesten Genres in der Fotografiewelt.
Menschen sind ein spannendes Fotomotiv: Dabei geht es nicht nur darum, das menschliche Subjekt einfach abzulichten. Die Aufgabe lautet, ein Foto von jemanden machen und dabei seine Persönlichkeit zu zeigen. Die individuelle Persönlichkeit, mit allen Ecken und Kanten. Bei der Portraitfotografie schaut der Fotograf in die Seele des Protagonisten.
Menschen lieben Gesichter. Weil Gesichter erzählen Geschichten, und transportieren Emotionen.
Und das Portrait wird auch das abgelichtete Motiv glücklich machen.
Dieser Artikel soll Dir ein paar Tipps und Antworten mitgeben, wie man einfach mit der Portraitfotografie starten kann und Du so deine Lieblingsmenschen perfekt ins Licht rücken kannst.
Ausrüstung: Objektive für Portraitsfotografie
Ja, die Ausrüstung, immer wieder die „Religionsfrage“ unter den Tipps & Tricks in der Fotografie. Welche Kamera-Marke, welche Objektive, welche Einstellungsmöglichkeiten bruacht man in der Portraitfotografie?
So viele Fragen, so viele Antworten – und alle haben aus der jeweiligen Perspektive Recht.
Daher mein Tipp: Fang mal an, mit der Fotoausrüstung, die Du bereits besitzt. Schliesslich sind viele der schönsten Portraits in der Fotogeschichte mit minimaler Ausrüstung entstanden! Die Kamera ist Dein Werkzeug, lerne dies zu schätzen und die Technik richtig einzusetzen.
Von Vorteil sind natürlich lichtstarke Objektive. Je offener die Blende, desto weicher und unscharfer der Hintergrund, desto besser hebt sich das Motiv vom Hintergrund ab.
Um Gesichter möglichst ohne Verzerrung zu fotografieren, spielt auch die Brennweite des Objektivs eine gewisse Rolle. Finger weg von Fisheye Objektive oder Superweitwinkel; lieber Brennweiten von 70mm oder mehr verwenden. Ein anschauliches Beispiel der Verzerrung je nach Brennweite findest Du hier:
Je nach Ziel der Portraits, kann man durchaus auch mit weitwinkligen Objektive arbeiten. Persönlich mag ich Portraitfotos mit 24mm oder 50mm sehr, da man so „näher“ an das Gesicht kommt, was eine gewisse Intimität erschafft. Die Verzerrung nehme ich so bewusst in Kauf, und nutze es sozusagen als Stilmittel.
Ausrüstung: Die Frage des Lichts
Und so kommen wir schon zur nächsten „Religionsfrage“: Benötigt man für die Portraitfotografie einen Blitz?
Und auch da: Es ist eine Stilfrage. Persönlich verzichte ich gerne auf zusätzliche, „künstliche“ Lichtquelle des Blitz und arbeite viel lieber mit den natürlichen Lichtgegebenheiten einer Umgebung. Auch weil ich so dem Hantieren und den zusätzlichen Einstellungen des Blitz aus dem Weg gehen kann – das gebe ich offen und ehrlich zu.
Professionelle Fotografen, die sich in der Portraitfotografie spezialisiert haben, arbeiten alle mit Blitz und weiteren Hilfsmitteln wie Faltreflektoren. Die können so ihr eigenes, natürlich wirkende Licht überall aufbauen und sind nicht mehr vom vorhandenen Licht abhängig. Ein nicht abstreitbarer Vorteil!
Als wichtigste Regel zum Thema Licht möchte ich Dir aber folgende Tipps geben:
- Meide die Mittagssonne: Das Licht kommt von weit oben, ist knallhart, es wird dein Foto zerstören.
- Suche das weiche Licht, in den frühen Stunden oder am späten Nachmittag. Versuch dann auch die Sonne nicht immer im Rücken zu haben, sondern teste verschiedene Perspektiven und Lichtwinkel.
Natürliche Portraitfotografie – komische Posen vermeiden
Und nun kommen wir endlich zum Motiv. Zur Person, die man ablichten will. Die auf dem Foto dann möglichst natürlich wirken soll.
Am einfachsten klappt dies mit: Natürliche Posen. Herzhaftes Lachen. Alltägliche Gesichtsausdrücke. DAS sind nämlich die schönen Portraits, wenn man die Person einfängt, wie sie auch im „echten“ Leben ist. Solche Portraitfotos wirken authentisch, echt, als natürliche Abbild des Lebens.
Und trotz allem will man ein Foto schaffen, auf dem die Person vorteilhaft aussieht. Möglichst perfekt, also ohne dick zu wirken, ohne doofes Doppelkinn im Gesicht, ohne schielendes Auge auf dem Bild. So sind wir eben; wir suchen die ästhetische Natürlichkeit.
Wenn man ein paar Kleinigkeiten beachtet, ist man sicher auf dem guten Wege das Motiv natürlich wirken zu lassen:
- Die ganze Körperhaltung hat Einfluss auf das Gesicht, auf das Portrait. Aus diesem Grund: Arme und Hände nicht hängen lassen, sondern an der Körperlänge oder auf die Hüfte anlegen. Dies fördert ein aktives Aussehen, und wirkt nicht als herrenlosen Kartoffelsack.
- Vermeide die Suche nach der perfekten Symmetrie – weil unser Körper ist ohnehin nicht ganz symmetrisch. Diese „Unperfektheit“ ist auch gut so; arbeite diese mit der Wahl der Perspektive.
- Aktiv, dynamisch, sympathisch: Versuche durch Mimik und / oder gedrehter Körperhaltung etwas Bewegung in das Gesicht zu zaubern. Dies versteckt dann auch gleich die unvorteilhaften Ecken…
Portraitfotografie ohne Blick in die Kamera
Merke Dir: Die ersten Bilder einer Portraitserie sind häufig auch die schlechtesten. Hier wirkt der Protagonist nicht selten noch verkrampft, unnatürlich, angespannt. Alle müssen sich auf diese ungewohnte Situation einstellen – sowohl das Model wie auch der Fotograf.
Insbesondere am Anfang eines Portraitshootings gebe ich dem Fotosujet den Rat, erst mal gar nicht in die Kamera zu schauen. Um in Stimmung zu kommen, soll sich das Model auf etwas anders fokussieren, sich möglichst natürlich verhalten. Dazu nützt es auch, ein Gespräch mit dem Motiv zu führen, gemeinsam Musik zu hören oder sich gemeinsam in schöne Gedanken zu vertiefen.
Gleichzeitig erhalte ich als Fotograf so die Zeit, um die Kamera-Einstellungen vornehmen zu können, um Objektive und Lichtverhältnisse perfekt zu berücksichtigen. Und aus der Sicht vom Model schafft der Fotograf eine möglichst angenehme Umgebung, um sich darin normal bewegen und leben zu können.
Der Fotograf sollte nicht als Fotograf wahrgenommen werden, er wird eher zum stillen Beobachter.
Sicherheit und Wohlfühl-Oase als Bedingung für tolle Portraits
Eines der grossen Ziele von Potraitfotos ist das Einfangen des natürlichen Menschen, so wie er ist und wirkt. Um dies zu erreichen, muss zwischen Fotograf und Model ein gutes Gefühl entstehen.
Je wohler sich die beteiligten Personen fühlen, umso authentischer werden die Fotos dafür sein.
Wie man sich diese Wohlfühl-Oase aufbaut, ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Während die einen tiefgründige Gespräche mögen, um so eine Art Vertrauensbasis zu schaffen, mögen andere lieber ein lockeres und humorvolles Miteinander. Das Ziel ist jedoch immer: Sorge für eine gute Stimmung beim Fotoshooting!
Die Sicherheit vermittelst Du als Fotografen am besten mit klaren Anweisungen beim Fotoshooting. Profiliere Dich als Experte, zeige dem Model dass Du genau weisst, was Du da am machen bist. Erzähle was Du Dir wünschst, welche Gesichtsausdrücke Du einfangen möchtest. In einer lockeren und positiven Umgebung macht die Portraitfotografie besonders Spass.
Bewegung beim Subjekt….
Für natürliche und authentische Fotos sollte das Model nicht verkrampft sein – auch körperlich betrachtet nicht. Daher tut auch Abwechslung gut, und zwar in Bewegung.
Lass die Leute zwischendurch auch Grimassen machen, lachen, sprechen – aber auch laufen, tanzen oder sonst wie bewegen.
Die körperliche Bewegung ist nicht nur gesund, sie wirkt auf Bilder auch dynamisch und attraktiv.
…und Bewegung beim Portrait-Fotografen
Bleibe aber auch Du als Fotograf stets in Bewegung!
Spiele mit den möglichen Perspektiven, sei mutig und versuche auch Neues aus.
Wenn Du es mit Kindern zu tun hast, dann begehe Dich doch auf deren Augenhöhe und entdecke „ihre“ Welt. A
ber wieso nicht auch, eine kleine Treppe oder Leiter besteigen, um eine Person von oben herab zu fotografieren?
Es gibt nichts unmögliches, und aus verschiedenen Positionen gibt es ganz andere Fotos, die beim Anblick der Bilder schlussendlich auch andere Emotionen wecken.
Portraitfotos machen: Im richtigen Licht – zum Beispiel im Schatten
Wie oben bereits angetönt: Das richtige Licht einzuschätzen ist gar nicht so einfach.
Grundsätzlich ist das beste Licht für die Fotografie stets das natürliche Licht von der Sonne.
In der Portraitfotografie suche ich eher das indirekte, weisse und gleichmässige Licht, welches weiche Schatten wirft – und somit Deinem Motiv eher schmeichelt. Der lange Schatten einer Hausfassade ist in der Regel toll: Hier gibt es genügend Licht, das Modell muss die Augen nicht zukneifen und hat deutlich weniger Schweissperlen im Gesicht.
Doch auch hartes, direktes Licht kann seinen Reiz ausüben. Dies ergibt kontrastreiche Portraitfotos, mit Ecken und Kanten.
Daher: Experimentiere ruhig mit den verschiedenen Lichtmöglichkeiten. Farbe, Intensität, Härte….es gibt verschiedene Faktoren. Versuche gezielt Einfluss darauf zu nehmen. Zum Beispiel auch mit einem Blitz, wenn das Umgebungslicht nicht ausreicht. Oder mit einem Diffusor resp. Reflektor, der das Blitzlicht streut.
Ruhiger Hintergrund, Person im Vordergrund: Nummer sicher in der Portraitfotografie
Bei der Portraitfotografie geht es primär um das Model, um die Person vor der Linse.
Alles rund herum ist Beilage.
Der Fokus liegt auf das Subjekt, auf dessen Gesicht, Körperhaltung, Mimik. Der Hintergrund sollte daher ruhig wirken, und nicht zu fest ablenken. Ein guter Hintergrund wirkt unterstützend und setzt die Person noch mehr in Szene.
Und als Fotograf kann man mit einer offenen Blende zusätzlich den Hintergrund unscharf gestalten, indem man die Tiefenschärfe gering hält.
Doch auch wenn der Hintergrund nur Beilage ist – auch dieser sollte für das Shooting stimmen. Suche Dir, je nach Thema, auch die passende Location aus!
Auch ein unscharfer Hintergrund vermittelt dem ganzen Portraitbild eine gewisse Atmosphäre. Und nein, für die Portraitfotografie ist kein Fotostudio zwingend nötig. Ein Industriegebiet, oder aber natürliche Landschaften wie ein Wald, eine Wiese oder einfach die heimischen vier Wände sind genau so gute Fotolocations.
Achtung bei Bewerbungsfotos: Fokus auf das Gesicht
Je nach Fotoshooting kann man auch ein Minimalismus Versuch starten, unter dem Motto „weniger ist mehr“. Es ist schliesslich nicht verboten auch den Zoom der Kamera zu benutzen, und den Fokus ausschliesslich auf das Gesicht zu setzen – oder sogar einzelne Gesichtsteile.
Für Portraifotografie wird empfohlen, Objektive mit Brennweiten zwischen 50mm und 100mm zu verwenden.
Mit denen kann man hervorragend den Fokus auf den Menschen legen. Weitwinkelobjektive dagegen, können zu unvorteilhafte Verzerrungen führen. Zudem empfiehlt es sich, ein Festbrennweite-Objektiv zu verwenden: Dessen Blende ist meist lichtstark und kann weit geöffnet werden.
Scharf stellen solltest Du in der Regel immer auf die Augen. Diese sind – nebst den Lippen – wohl der wichtigste Punkt eines Gesichts.
Wie bereits erwähnt, ist eine geringe Tiefenschärfe (damit der Hintergrund unscharf wird) bei den Portraitfotos wünschenswert. Doch Achtung vor Übertreibung! Die Gefahr lauert nämlich, dass die Augen zwar scharf abgebildet werden, jedoch Nase und Ohren bereits wieder unscharf werden.
Und je weiter die Blende geöffnet ist, desto mehr nimmt die optische Auflösung und Qualität der Bilder ab. Hier ist die persönliche Erfahrung gefragt – und daher: üben, üben üben!
Weitere Informationen zum Thema Schärfe / Unschärfe findest Du im Artikel „Unscharfe Fotos: 15 Tipps gegen verschwommene Bilder„
Auch bei Menschen: Klassische Bildkomposition und der Goldene Schnitt in der Portraitfotografie
Bildkomposition, Bildgestaltung und Bildaufbau sind in der Fotografie sehr wichtige und beliebte Themen – so auch in der Portraitfotografie.
Das Spiel mit Vordergrund und Hintergrund, um eine Räumlichkeit ins Bild zu vermitteln. Oder das Spiel mit dem goldenen Schnitt, also das Bildobjekt eher im Bildverhältnis 2/3 zu setzen statt genau in der Mitte.
Bei den Portraits sollte man zudem achten, dass über dem Kopf des Models das Bild endet, damit nicht zu viel Luft über dem Kopf übrig bleibt.
Siehe dazu auch den Artikel: Bildgestaltung – Was Du aus den Fotoregeln lernen kannst
Bei Portraitfotos spontan bleiben & Regel vergessen!
Portraitfotografie kann viel mehr als ein Passfoto oder Bewerbungsfoto sein. Zum Beispiel kann man mit Mehrfachbelichtung eine gleiche Person mehrmals auf einem Bild aufnehmen.
Bleib dafür kreativ, und versuche die klassischen Tipps & Tricks für bessere Fotos ganz bewusst aufzubrechen.
Inspiriere Dich spontan mit den Gegebenheiten. Versuche eigene Verhaltensmuster aus, teste die verschiedenen Möglichkeiten aus. Notiere Dir, was gut geklappt hat, und was weniger.
Lerne aus den Fehler und Erfolge. Sei mutig, und versuche auch Unvorgesehenes.
Denn umso kreativer Du bist, desto spannender wird das Schlussresultat. Viel Spass!
PS 1: Für Portraitfotos eignen sich auch schwarzweiss Bilder – siehe dazu auch: Schwarz-weiss Fotografie: 10 Tipps für ausdrucksvolle Bilder
PS 2: Aus Rücksicht & Gründen des Datenschutzes stammen die Bilder in diesem Blogpost nicht von meiner Kamera, sondern von der kostenlosen Bilder-Datenbank unsplash.com.
2 Antworten
Hi Marc,
Danke für die Tipps. Schade hast du nicht Bilder von dir genommen. Hätte mich interessiert, wie du die Tipps umgesetzt hast.
Lieber Gruss
Danaron
Hey Danaron
Besten Dank für Deinen Besuch – und den lieben Kommentar.
Habe mich bewusst dagegen entschieden, „meine“ Portraitaufnahmen hier zu publizieren – es geht mir primär um Inputs und meine Gedanken zum Thema. Zudem bin ich ja auch kein professioneller Fotograf der neue Aufträge damit generieren will ;-)
Liebe Grüsse
Marc